
- 1. Blühendes Gemüse
- 2. Möglichkeiten, Jungpflanzen für den eigenen Betrieb zu erhalten.
- 3. Zukauf von Jungpflanzen
- 4. Eigene Aussaat und Anzucht von Jungpflanzen
- 5. Die Auslastung des Folientunnels im Jahresverlauf
- 6. Direktsaat als Alternative zur Anzucht?
- 7. Der Anzuchttisch
- 8. Das Anzuchtsubstrat
- 9. Die Aussaat von Gemüse
- 10. Fragen auf dem Weg zur eigenen Anzucht
- 11. Den Work-Flow bei Verwendung einer eigenen Anzucht einhalten und sich nicht verzetteln
- 12. Das Abhärten von Jungpflanzen
Blühendes Gemüse
Fehler während der Anzucht können sich dadurch äußern, dass ganze Sätze „plötzlich" in Blüte gehen und dadurch für die Vermarktung uninteressant werden. Hier ist übrigens explizit von Vermarktung zu sprechen, da die meisten blühenden Gemüse weiterhin essbar (wenn auch nicht immer genießbar) bleiben. Zudem stellt blühendes Gemüse auch eine wertvolle Nahrungsressource für allerlei Lebwesen dar, die unter anderem als Nützlinge aktiv die Gesundheit unserer Kulturpflanzen fördern. Es kann also durchaus Sinn machen, blühendes Gemüse nicht gleich kleinzuhacken, sofern dies in den Beetplan passt. Eine gewisse Vorsicht ist geboten, wenn man den Krautdruck in seinem Garten niedrig halten möchte. Einige Gemüsearten sind äußerst konkurrenzstark und können durchaus andere Kulturpflanzen verdrängen. Sommer- und Winterportulak sind in der Lage, ganze Beete zu kapern. Allerdings ist Portulak mit seinen flachen Wurzeln ein wertvoller Humusbewahrer, der zudem vielen Insekten Schutz und auch ein wenig Nahrung spendet. Weitere Informationen hierzu sind in den jeweiligen Pflanzensteckbriefen zu finden.
Möglichkeiten, Jungpflanzen für den eigenen Betrieb zu erhalten.
Zukauf von Jungpflanzen
Zukauf von Jungpflanzen von einem auf deren Anzucht spezialisierten Betrieb
Die eigene Aussaat und Anzucht von Jungpflanzen
Eine Direktsaat auf dem Acker
Die Vermehrung durch Stecklinge und Teilung von Wurzelballen
Alle Punkte haben spezifische Vor- und Nachteile. Es hängt von der Betriebsstruktur und der Persönlichkeit des Betriebsleitenden ab, welche bevorzugt werden sollten. Meist bietet es sich aber an, je nach Pflanzenart, Jahreszeit und Auslastung der eigenen Produktionsanlagen kontextbasiert zu entscheiden. Im Folgenden schauen wir uns kurz die Vor- und Nachteile der verschiedenen Verfahren an.
Vorteile
Keine Infrastruktur für die eigene Anzucht wird benötigt.
Es müssen keine Arbeitskräfte für die Anzucht und Betreuung von Jungpflanzen vorgehalten werden.
Das Risiko für Ausfälle bei der Anzucht wird ausgelagert.
Vergleichsweise geringe Jungpflanzenpreise und gute Qualität.
Erhöhte Planungssicherheit, da termingerecht geliefert wird.
Es wird kein Fachwissen im Bereich der Jungpflanzenanzucht im Betrieb benötigt.
Es muss kein Saatgut auf Vorrat gelagert werden und es entstehen keine Betriebskosten durch abgelaufenes Saatgut.
Gleiches gilt auch für Anzuchtsubstrate. Es muss kein Platz in Folientunneln für die Anzucht reserviert werden.
Nachteile
Es besteht nur eine begrenzte Sortenauswahl.
Das Anzuchtsubstrat kann nicht selbst gewählt werden.
Es besteht vergleichsweise wenig Flexibilität, da die Jungpflanzenbestellungen mehrere Monate im Voraus getätigt werden müssen.
Es fehlt unter Umständen ein Beschäftigungspuffer bei der Auslastung der Arbeitskräfte. Geld, das für den Zukauf von Jungpflanzen benötigt wird, kann nicht im Betriebskreislauf gehalten werden.
Benötigte Infrastruktur: Keine spezielle. Es sollten Flächen zur Verfügung stehen, um ankommenden Jungpflanzen bis zur Pflanzung pflanzengerecht lagern zu können. Diese Flächen sollten nicht im Schatten liegen und über eine Möglichkeit verfügen, die Pflanzen wässern zu können. Im zeitigen Frühjahr muss eventuell auch Lagerplatz in Folientunneln und Gewächshäusern eingeplant werden, um die Pflanzen vor starken Frösten zu schützen. Im Frühjahr können Mäuse und Ratten erhebliche Schäden an auf dem Boden stehenden Jungpflanzen anrichten. Besonders gefährdet sind Spinat, Erbsen, Dicke Bohnen und Salate, aber es können prinzipiell alle Kulturen betroffen sein. Vließe erhöhen den Ausfall durch Mäusefraß. Hier hat es sich bewährt, besonders gefährdete Kulturen zum Beispiel auf Tischen unterzubringen und diese so zu gestalten, dass Mäuse keinen Zugang haben. Alternativ für ausreichend offene Flächen um die Jungpflanzen herum sorgen, da diese ungern von den Mäusen überquert werden. Zudem sind bei Bedarf Vließe und Kulturschutznetze vorzuhalten. Erstere als Schutz vor Kälte und letztere, da Schadfalter wie der Kohlweißling auch an Jungpflanzen Eigelege ablegen können. Der Lagerort der Jungpflanzen sollte ein sortiertes Abstellen ermöglichen und so angeordnet sein, dass schnell und einfach Pflanzen zu den jeweiligen Beeten abtransportiert werden können. Je nach Menge der Jungpflanzen macht es Sinn, ein Ordnungssystem zu etablieren, welches verhindert, dass nach den benötigten Pflanzen gesucht werden muss.
Die daraus entstehenden Anforderungen sind nicht nur von Gemüse zu Gemüse verschieden, sondern sie variieren auch im Verlauf der Jahreszeiten. Um diesen Herausforderungen gerecht zu werden, braucht es eine professionelle Infrastruktur und Klarheit über die notwendigen Arbeitsschritte. Eine eigene Jungpflanzenanzucht erfordert Investitionen in Zeit, Geld und vor allem Aufmerksamkeit. Die folgenden Beiträge sollen helfen, Klarheit über die eigenen Ziele im Rahmen der Jungpflanzen-Thematik zu gewinnen.
Eigene Aussaat und Anzucht von Jungpflanzen
Vorteile
Man verfügt über eine freie Sortenwahl.
Eine eigene Saatgutvermehrung und Nutzung möglich.
Man verfügt über eine hohe Flexibilität und kann schnell reagieren.
Die freie Wahl des Anzuchtsubstrates ermöglicht es, die individuellen Bedürfnisse zu erfüllen.
Pflanzen können optimal für den eigenen Bedarf abgehärtet werden.
Das Geld für den Kauf von Jungpflanzen kann im Betrieb gehalten werden. Jungpflanzenverkauf oder Workshops als optionale Einnahmequelle möglich.
Kann sich positiv auf die Außendarstellung auswirken.
Gefragtes Fachwissen wird im Betrieb bewahrt.
Nachteile
Hohe Investitionskosten.
Es ist viel Fachwissen erforderlich.
Es entstehen das ganze Jahr hindurch zusätzliche Arbeitsspitzen.
Hohe laufende Kosten für Saatgut, Substrat, Energie und Arbeitskraft.
Die Anzucht blockiert Platz im Folientunnel, der sonst anderen Kulturen zur Verfügung stehen würde.
Benötigte Infrastruktur:
Anzuchttunnel
Anzuchttisch
Anzuchtsubstrat
Arbeitstisch
Saatgut
Töpfe
Quickpott-Palletten und/ oder Erdpresstöpfe
Kleinteile
Im folgenden Video geben Britta und ich euch einen kleinen Überblick, wie man eine Jungpflanzenanzucht ausrüsten kann.
Auch wenn man mit ein bisschen Übung Jungpflanzen auf der Fensterbank anziehen kann. Oder es Möglichkeiten gibt, sie tagsüber nach draußen zu stellen und nachts wieder ins Haus zu holen, ist dieses Vorgehen zu aufwendig. Es empfiehlt sich daher, einen kleinen Folientunnel für die Anzucht anzuschaffen. Einige Betriebe nutzen auch einen großen Folientunnel, in dem Jungpflanzenanzucht untergebracht ist und gleichzeitig Pflanzenbestände. Dies hat den Vorteil, dass ein großer Tunnel besser die Kälte puffert und die entstehende Abwärme bei der Jungpflanzenproduktion als Synergie auch anderen Pflanzen zur Verfügung steht. Ein Nachteil ist, dass Pflanzenkrankheiten und Schädlinge leicht von den alten Pflanzen auf die jungen überspringen können. Es herrscht ein höherer Krankheits- und Pilzdruck. Letztendlich hängt es auch davon ab, ob schon ein großer Folientunnel vorhanden ist, der mitgenutzt werden kann. Hat man die Wahl, empfehle ich immer, einen separaten Tunnel für die Jungpflanzenanzucht anzuschaffen.
Die Auslastung des Folientunnels im Jahresverlauf

In der Regel erfolgt die größte Auslastung der Anzucht von Mitte April bis Mitte Mai. Ab Mitte Mai benötigt man die Anzucht bis in den Oktober eigentlich nur noch zum Ankeimenlassen der Saaten. Sobald diese pikiert worden sind, werden sie auf Tische nach draußen gestellt, wo sie bei Bedarf mit Kulturschutznetzen abgedeckt bis zu ihrem Pflanzzeitpunkt stehen bleiben. Daraus folgt, dass unsere Anzucht über 4 Monate im Jahr fast ungenutzt bleibt. Da alle Elemente der Anzucht mobil sind, könnte man die Anzucht leerräumen, den Boden lockern und hätte so zusätzlichen Platz für den Anbau von Gemüse gewonnen. Anbieten würden sich Paprika, Gurken, Tomaten oder Auberginen, weil ihre Kulturzeit in der Regel Mitte bis Ende Oktober endet und uns dann die Anzucht wieder vollständig zur Verfügung stünde. Besonders für Betriebe, die sehr wenig Platz unter Folie haben, aber diesen maximal nutzen wollen, bietet sich diese Herangehensweise an. Es gibt allerdings ein paar Dinge zu beachten. Die Arbeitsspitze, die durch das Ausräumen der Anzucht und die Vorbereitung des Bodens im Mai entsteht, liegt für den Gemüsebau sehr ungünstig. Besser wäre es, die Arbeitsspitze im Juni zu haben, außer für Gurken wäre das nicht wirtschaftlich. Ein weiterer Nachteil ist, dass der Boden in einer Anzucht meist stark verdichtet und sehr trocken ist, besonders, wenn wir eine Mulchfolie verwenden. Eine Lösung wäre hier mit einer Bodenbegrünung zu arbeiten, die dann auch gleichzeitig als Gründüngung für die Folgekultur funktionieren könnte.
Wer noch nicht so viel Erfahrung mit der Anzucht von Jungpflanzen hat, dem empfehle ich, am Anfang mit einer reinen Anzucht zu starten und diese dann, wenn gewünscht, nach ein bis zwei Jahren schrittweise in eine ganzjährige Nutzung zu überführen. Welches Folientunnelmodell für die Anzucht gewählt werden soll, ist im Wesentlichen abhängig vom verfügbaren Platz und davon, wie viel Geld man investieren möchte. Oft bekommt man gebrauchte Bögen für Folientunnel zu einem sehr günstigen Preis oder sogar kostenlos. Da wir später nicht den ganzen Tunnel heizen, sondern eine Heizmatte einsetzen wollen, benötigen wir keine Doppelfolie oder andere isolierende Materialien. Bei gebrauchten Tunneln muss die Folie meist ersetzt werden. Diese kann problemlos nachgekauft werden. Bei der Breite der Folie sollte man ca. 70 cm mehr auf jeder Seite einplanen, damit man sie ggf. eingraben kann, was dem Tunnel mehr Stabilität gibt. Wichtig ist es, darauf zu achten, dass die Folie UV-stabilisiert ist, sonst hält sie oft nicht mehr als 1 bis 2 Jahre. Die meisten Anbieter von Folientunneln verkaufen auch separate Folien. Es gibt allerdings eine verwirrende Vielzahl an Folien für verschiedenste Einsatzzwecke. Ich kann nur empfehlen, sich telefonisch eine Verkaufsberatung von einem Folienverkäufer geben zu lassen. Eine gute Folie sollte mindestens fünf Jahre halten. Ich habe schon welche gesehen, die bei guter Pflege und regelmäßiger Reinigung 20 Jahre im Einsatz waren. Ein Folientunnel-Modell, welches ich bei kleinem Geldbeutel gerne empfehle, sind die sogenannten Römertunnel. Sie sind robust, günstig, sehr flexibel im Aufbau und man kann zur besseren Belüftung die Folie seitlich hochziehen. Weitere Informationen zum Thema Folientunnel und Anzucht haben wir in einem Video für euch bereitgestellt.

Die improvisierte Anzucht. Eine Fläche, die etwas vom Boden entfernt ist, damit Nager nicht an die Pflanzen gelangen können. Nach unten wird mit Teppichen und/oder Styroporplatten gedämmt. Nachts werden die Pflanzen abgedeckt. Kälteempfindliche Pflanzen müssen nachts in einen warmen Raum verbracht werden. Man kann so kräftige Pflanzen erzeugen, aber der Arbeitsaufwand und das Risiko von Ausfällen sind so ungleich höher als in professionellen Systemen.


Eine kostengünstige Anzucht in einem kleinen Römertunnel. Es sind mehrere Bereiche vorhanden. Beheizbare Flutsysteme, ein Arbeitstisch und an den Rändern diverse Ablagemöglichkeiten für Pflanzen zur Abhärtung. Einfach, aber sie spielt ihre Kosten sehr schnell wieder ein und ist für kleine Betriebe ausreichend.

Gut strukturierte Anzucht. Ein großer beheizbarer Tisch in der Mitte, der nachts mit einem Fließ abgedeckt wird. Ein kleiner Anzuchtkasten links, der es ermöglicht, exakte Temperaturen für zum Beispiel Fruchtgemüse bei der Keimung zu realisieren. Ein höhenverstellbarer Arbeitstisch sowie eine den Boden bedeckende Plane. Nicht sichtbar, aber vom Arbeitstisch aus schnell zu erreichen sind eine Plastiktonne mit Substrat und eine mit Wasser.

Der Vorteil ist das hohe Raumvolumen, was dazu führt, dass der Tunnel langsamer auskühlt. Außerdem profitieren die frühen Anbausätze von der Abwärme der Jungpflanzentische. Ein großer Nachteil ist das Übergehen von Schaderregern von Altbeständen auf die Jungpflanzen. Speziell dieser Tunnel hat seit Jahren Probleme mit Blattläusen in den Jungpflanzen.
Direktsaat als Alternative zur Anzucht?
Die meisten Gemüsekulturen sind direktsaatfähig. Die Direktsaaten haben zudem den Vorteil, dass sie über ein besser entwickeltes Wurzelsystem verfügen als angezogene Jungpflanzen. Zudem sind sie keinem Pflanzstress beim Einpflanzen ausgesetzt.
Es bedarf allerdings eines sehr guten Beikrautmanagements, um Direktsaaten umsetzen zu können. Die Verwendung von Dauerbeeten oder falschen Saatbeeten erfüllt diese Voraussetzung in der Regel. Wir benötigen dann noch gesundes Saatgut mit einer hohen Keimfähigkeit. Das Saatkorn sollte dichter ausgesät werden, als die Pflanzen später stehen sollen, da mit diversen Ausfällen durch zum Beispiel Schnecken oder Mäuse zu rechnen ist. Dabei muss man im Einzelnen abwägen, ob hohe Aussaatdichten und eventuelle anschließende Vereinzelung bei den aktuellen Saatgutpreisen wirtschaftlich sind.
Der Anzuchttisch
Als Anzuchttisch empfiehlt sich die Verwendung eines Ebbe- Flutsystems, das mit einer Heizdecke kombiniert wird. Im Internet heißen die verwendeten Tische auch oft Anstautische oder Verkaufstische. Häufig kann man sie gebraucht erstehen. Die Kunststoffwanne sollte man dann eventuell erneuern, sie ist einzeln nachkaufbar. Ein Anzuchttisch ist mobil, langlebig, und die Pflanzen lassen sich auf ihm sehr gut kontrollieren. Außerdem lässt sich relativ einfach eine automatisierte Bewässerung nachrüsten, was die anstrengenden Gießdienste an Wochenenden überflüssig macht. Meiner Erfahrung nach reicht für eine Gärtnerei bis etwa 80 Ernteanteile ein Anzuchttisch mit den Maßen 7 × 2 Meter aus. Idealerweise hat man allerdings etwas mehr Platz zur Verfügung und auch mehrere Tische, um verschiedene Wärmestrategien nutzen zu können.
Der Aufbau eines Anzuchtsystems von (unten nach oben)
Dämmung: Hier kann man Styropor, Vlies oder alte Decken nehmen.
Heizmatte; Es gibt zwei Typen von Heizmatten: solche, die mit Heizdrähten arbeiten, und neuere Modelle mit Infrarot. Die Infrarotmatten sind etwas günstiger. Beide Varianten habe ich im Einsatz und beide funktionieren. Heizmatten sind teuer, aber ihre Anschaffung lohnt sich, da sie eine gute Temperaturführung erlauben und über Jahre zuverlässig funktionieren.
Wasserdichte Folie soll die Heizmatte und unsere Dämmung schützen. Hier kann Teichfolie, Gewächshausfolie oder Ähnliches verwendet werden.
Bewässerungsvliese gibt es speziell im Fachhandel zu kaufen. Sie speichern Wasser, so dass wir weniger gießen müssen und es für die Pflanzen einen gewissen Feuchtigkeitspuffer gibt.
Die abschließende Gewebeplane dient dazu, dass die Pflanzen nicht in das Bewässerungsvlies wurzeln können und dieses dann zerstören.
Über den Aufbau und die Funktion des Anzuchttisches haben wir ein Video für euch gedreht.
Das Anzuchtsubstrat
Die zu verwendende Anzuchterde (im Gärtnerischen spricht man auch von Anzuchtsubstrat) sollte genügend Nährstoffe enthalten, damit die Pflanze wachsen kann. Ein zu viel an leicht verfügbaren Nährstoffen führt allerdings dazu, dass die Pflanze ihr Wurzelsystem nicht ausreichend entwickelt und sich nach dem Auspflanzen in unseren Garten schwer damit tut, aktiv Nährstoffe aus dem Boden zu mobilisieren. So verlockend es sein mag, Geld zu sparen und seine eigene Anzuchterde zu mischen, so empfehle ich gerade Anfängern, ein professionelles Anzuchtsubstrat zu kaufen. Diese anfängliche Investition zahlt sich durch kräftige und gesunde Pflanzen mehr als aus. Die Mischung der richtigen Erde ist kompliziert. In der Vergangenheit hatten Gärtnereien eigene Kompostmeister, die als hochgeachtete Spezialisten für jede Pflanze die richtige Erde bereithielten. Das Wissen hierüber ist leider im deutschsprachigen Raum weitgehend in Vergessenheit geraten.
Folgende Anforderungen sollte ein Anzuchtsubstrat erfüllen:
Es sollte frei sein von Pathogenen und Samen.
Wenig Nährstoffe enthalten, die über einen längeren Zeitraum mobilisiert werden.
Eine gute (feinkrümelige) Struktur aufweisen.
Über eine gute Wasserhaltekraft verfügen.
Wenig bis kein Torf enthalten.
Ein paar sehr allgemeine Tipps für das Anmischen eigener Anzuchterde: Für Aussaaten und zum Pikieren kann die Erde von Maulwurfshügeln gemischt mit einem sehr reifen Gemüse oder Laubkompost (möglichst kein Eichenlaub wegen der Gerbsäuren und deren keimhemmender Wirkung) verwendet werden. Das Verhältnis sollte 2/3 zu 1/3 betragen. Zum Topfen können ein reifer Gemüse oder Laubkompost oder Reste vom Anzuchtsubstrat Gemischt mit reifen Pferdemist oder Rindermistkompost verwendet werden.
Die Aussaat von Gemüse
Wie man Gemüse praktisch aussät, lässt sich besser zeigen als beschreiben. Zu diesem Zweck haben wir mehrere Videos zu diesem Thema gedreht.
Das erste Video beschäftigt sich mit einer Aussaat in sogenannten Quickpott-Platten und im zweiten Video zeigen wir euch eine Aussaat in Aussaatschalen.
Fragen auf dem Weg zur eigenen Anzucht
Wir beginnen unsere Reise auf dem Weg zur eigenen Anzucht wie immer damit, Klarheit zu erlangen. Mit folgenden Bereichen sollten wir uns auseinandersetzen:
Mit der eigenen Motivation: Warum wollen wir eine eigene Anzucht aufbauen?
Mit der eigenen Zielsetzung: Was wollen wir erreichen?
Wir müssen die vorhandenen Ressourcen einschätzen: Geld, Wissen, Zeit. Ist eine eigene Anzucht für uns wirtschaftlich?
Verfügen wir über den benötigten Platz?
Haben wir vor Ort die nötigen Anschlüsse für Strom und Wasser?
Benötigen wir behördliche Genehmigungen?
Verfügen wir über das nötige Fachwissen?
Wenn wir diese Punkte geklärt haben, brauchen wir Klarheit über die praktische Umsetzung. Dies betrifft zum Beispiel die Größe der Anzucht, ihre potentielle Erweiterbarkeit, den Nutzungsschwerpunkt und ihre Platzierung.
Den Work-Flow bei Verwendung einer eigenen Anzucht einhalten und sich nicht verzetteln
Wenn man eine eigene Anzucht besitzt, hat man eine Fülle an neuen Möglichkeiten. Folgende Tipps können helfen, diese optimal zu nutzen und sich nicht darin zu verlieren. Eine genaue Planung vermeidet unkontrollierbare Arbeitsspitzen. Hier helfen uns Anbaupläne. Es sollten nur Kulturen ausgesät werden, die auch betreut werden können. Priorität haben dabei die Kulturen, die unser wirtschaftliches Überleben sichern. Daraus folgt auch, dass wir unsere Anzucht absatzorientiert planen. In der Regel produzieren wir mehr Pflanzen, als wir tatsächlich benötigen, um Ausfälle zu kompensieren. Dieser Puffer ist sinnvoll, sollte aber etwa 10 Prozent der Gesamtpflanzenanzahl nicht überschreiten. Die Infrastruktur innerhalb der Anzucht sollte so aufgebaut sein, dass möglichst wenig Wege gelaufen werden müssen und alles gut erreichbar ist. Experimente machen Spaß. Neue Kulturen auszuprobieren ist wichtig, um sich betrieblich weiterzuentwickeln. Mehr als 5 Prozent an Experimenten, gemessen an der Gesamtzahl der Pflanzen, würde ich allerdings nicht je Saison einplanen, um die Wirtschaftlichkeit nicht zu gefährden. Zudem sollten die Experimente bei der Bewältigung von Arbeitsspitzen eine niedrige Priorität haben. Die Aussaat- und Pikiereinsätze sollten nach Möglichkeit gebündelt werden, um Arbeitsspitzen zu vermeiden. Gepflegte und gut sortierte Arbeitsmittel erleichtern die Arbeit. Regelmäßige Fortbildungen helfen, auf dem aktuellen Wissensstand zu bleiben und neue Impulse in den Betrieb zu tragen. Wir sollten uns nicht in Details verlieren, sondern das Ganze im Blick behalten. Abschließend ist es wichtig Ruhe zu bewahren und Spaß zu haben.
Das Abhärten von Jungpflanzen
In der Anzuchtphase legen wir als Gärtner und Gärtnerinnen die Grundlagen für das spätere Leben unseres Gemüses. Wir haben es in der Hand, abhängige und verwöhnte oder aber resiliente und selbstständige Pflanzen zu kultivieren.
Junge Pflanzen werden während der Anzuchtphase systematisch und kontrolliert widrigen Bedingungen ausgesetzt, um sie so schrittweise resilienter gegen Umwelteinflüsse zu machen. Besonders in der Zeit direkt vor dem Auspflanzen ist es wichtig, die jungen Gemüsepflanzen an die Bedingungen außerhalb der behüteten Anzucht zu gewöhnen. In unseren Pflanzensteckbriefen befinden sich diverse Tipps zum Thema Abhärtung. Idealerweise verfügt man über einen Anstautisch, den man außerhalb des Folientunnels aufstellt. Gegen folgende Einflüsse härten wir die Jungpflanzen ab: UV-Licht, Trockenheit, Kälte, Hitze, Wind und Nährstoffmangel.
Für einen guten Einstieg in das Thema Abhärtung haben wir folgendes Video für euch gedreht.
Abhärtung gegen UV- Licht
Pflanzen können einen Sonnenbrand erleiden. Dieser äußert sich entweder als Verbrennung (Nekrosen) auf den Blättern oder aber im noch ungünstigeren Fall direkt auf dem Erntegut. Je nach Gemüseart und zum Teil auch je nach Sorte gibt es unterschiedliche Anfälligkeiten für Sonnenbrand. So sind zum Beispiel Paprika und Salat eher gefährdet als Kohlgewächse. Um das Risiko von Schäden zu vermindern, ist es besonders im Frühjahr wichtig, die Jungpflanzen an UV- Licht zu gewöhnen. Dabei gilt es zu beachten, dass unterschiedliche Materialien unterschiedlich viel UV- Licht durchlassen. Man kann die UV-Durchlässigkeit der verwendeten Materialien seines Gewächshauses beim Hersteller erfragen. Größere Jungpflanzenbetriebe verfügen über sogenannte „Cabrio-Gewächshäuser“, bei denen sich das komplette Dach öffnen lässt. In kleineren Gärtnereien kann man die Jungpflanzen im Frühjahr tagsüber an sonnigen Tagen nach draußen stellen und sie abends, wenn es kälter wird, wieder in die Anzucht stellen.
Abhärtung gegen Trockenheit
Es ist hilfreich, Pflanzen früh an Trockenheit zu gewöhnen. Gießen wir sie sparsam, gehen sie selbst aktiv auf Wassersuche und entwickeln ein entsprechendes Wurzelsystem. Die Anlagen hierzu werden schon in der Anzuchtphase gelegt. Sparsam zu gießen und nicht den Punkt zu überschreiten, an dem Wachstumsminderungen auftreten, erfordert einiges an Erfahrung und eine gute Beobachtung. Für den Anfang ist es tendenziell besser, zu viel zu gießen und sich dann langsam an das Optimum heranzutasten. Eine auf Trockenheit abgehärtete Pflanze wird auch nach dem Auspflanzen mit ihrem Wurzelsystem aktiv auf Wassersuche gehen. Dadurch hilft sie uns wertvolles Wasser einzusparen und entwickelt eine gewisse Resilienz gegen Trockenheit. Unterschiedliche Pflanzen haben ein unterschiedliches Wasserbedürfnis.
Abhärtung gegen Kälte
Im Frühjahr und Herbst ist eine Abhärtung der Pflanzen gegen Kälte sehr wichtig. „Pflanze nie vor der kalten Sophie“, besagt eine alte Bauernregel. Die Kalte Sophie ist eine der Eisheiligen. Die Eisheiligen beschreiben ein Naturphänomen, das in unseren Breitengraden für mögliche Spätfröste im Mai sorgen kann. Durch den Klimawandel verlieren die Bauernregeln zunehmend an Bedeutung. Konnte man früher relativ sicher davon ausgehen, dass ab Mitte Mai kaum noch mit Spätfrösten zu rechnen sei, so ist heute fast alles möglich. Damit wird es umso wichtiger, unsere Pflanzen frühzeitig gegen die Kälte abzuhärten. Auch wenn mit stabilem Wetter zu rechnen ist, sollte man aus wirtschaftlichen und ressourcenschonenden Gründen seine Jungpflanzen nur so kurz wie nötig auf den Heiztischen belassen und sie schnellstmöglich an niedrigere Temperaturen gewöhnen. Je nach Pflanzenart und Sorte weist unser Gemüse eine unterschiedliche Kältetoleranz auf. Auch durch Beobachtung in seinem Garten kann man wertvolle Erkentnisse gewinnen. So sieht man manche Kohlpflanzen den ganzen Winter über gesund auf dem Acker stehen, während Paprika und Bohnen beim ersten Frost sterben. Bei der Abhärtung gegen Kälte müssen unbedingt die Regeln zur Vernalisation beachtet werden, damit gefährdete Pflanzen nicht ungewollt in Blüte gehen. Ausführliche Informationen hierzu haben wir in unseren Pflanzensteckbriefen aufbereitet.

Die orangefarbene Plane schützt die Pflanzen vor zu starken Winden.
Abhärten gegen Wind
Wind hat einen wichtigen Einfluss auf die Gesundheit unserer Kulturpflanzen. Im Idealfall steht unser Anzuchttunnel so gegen die Hauptwindrichtung, dass der Wind beim Öffnen der Türen einmal durch den gesamten Folientunnel streichen kann (an Standorten, an denen mit schweren Stürmen gerechnet werden muss, sollte die Sicherheit des Tunnels bei der Positionierung Vorrang haben). Ähnlich wie bei der Abhärtung gegenüber UV-Licht können die Jungpflanzen auch nach draußen gestellt und bei ungünstiger Witterung wieder in den Tunnel verbracht werden. Ein Zuviel bei Wind ist für die meisten Gemüse gefährlich und für einige tödlich. Kürbis, Gurken und Zucchini sind anfällig dafür, dass der Wind unter ihre großen Blätter greift. Die Pflanzen werden dann quasi überdreht, wodurch sie sterben. Eine Windabhärtung sollte nur bei mäßigem Wind erfolgen, um Pflanzenschäden zu vermeiden. Pflanzen, die regelmäßig leichtem Wind ausgesetzt sind, entwickeln einen kompakteren Wuchs. Sie sind resilienter gegen physische Beanspruchungen und brechen zum Beispiel nicht so leicht.
Abhärtung gegen Hitze
Eine Abhärtung gegen Hitze erfolgt meist unfreiwillig durch die Erwärmung des Anzuchtgewächshauses. Generell sollten Temperaturen über 25° C vermieden werden. Die meisten Kulturpflanzen schließen bei ca. 28° C Blattinnentemperatur ihre Spaltöffnungen. Dies stellt einen aktiven Mechanimus der Pflanze dar, um sich vor Austrocknung zu schützen. Dadurch kommt allerdings der Stoffwechsel der Pflanze größtenteils zum Erliegen, wodurch kein Wachstum mehr stattfinden kann. Eine bewusste Abhärtung gegen Hitze ist im gärtnerischen Kontext normalerweise nicht notwendig.
Abhärtung in Bezug auf Nährstoffe
In diesem Punkt geht es primär darum, die Pflanze zu ermutigen, selbst aktiv auf Nährstoffsuche zu gehen. Gute Anzuchtsubstrate fördern dies, indem sie eine ausreichende, aber begrenzte Menge an leicht verfügbaren Nährstoffen für die ersten Wachstumsphasen bereitstellen. Sind die leicht verfügbaren Nährstoffe aufgebraucht, ist die Pflanze gefordert, selbst aktiv mit dem Boden in Kontakt zu treten. Sie lernt auf diese Weise über Wurzelausscheidungen, Bodenprozesse in Gang zu setzen, die Nährstoffe für sie verfügbar machen. Sind zu viele leicht verfügbare Nährstoffe im Anzuchtsubstrat, hat die Pflanze keinerlei Veranlassung, Anstrengungen zu unternehmen, um sich selbst aktiv zu versorgen.