Einleitung

Einleitung

Gärtnern heißt Vielfalt in all ihren Formen erleben. Kein Boden ist gleich. Keine Gemeinschaft von Lebewesen. Pflanzengesellschaften bilden sich heraus. Insektenpopulationen entstehen und vergehen. Regen, Sonne, Schnee. Nichts ist starr, alles im Fluss, und zwischen all dem und alldem stehen wir als Gärtner. Wir arbeiten mit dem Lebendigen, beobachten, lernen, passen uns an. Die Ernte steht am Ende. Sie ist ein kleiner Baustein eines umfangreichen Prozesses, der Leben miteinander verbindet, um Leben zu erhalten. Richtig verstanden begreifen wir uns als Teil eines komplexen Zusammenspiels unendlich vieler Variablen. Sie alle zu begreifen, zu erfassen und festzuschreiben ist unmöglich. Voller Erfurcht sollten wir uns als Teil des Lebens begreifen. Damit gibt es nicht die Lösung, das Konzept. Vielmehr ist es die Vielfalt der Ansätze beim Gärtnern, die wir betrachten sollten. Alle haben sie ihre Berechtigung im Kontext ihrer Entstehung. Sie stellen Ideen von Menschen und Momentaufnahmen von Situationen und Zuständen an spezifischen Orten dar. Damit können sie uns wertvolle Inspirationen geben. Sie zu verabsolutieren hieße aber die Prozesse des Lebens als starr zu begreifen, was sie nicht sind. Leben heißt Veränderung und Anpassung. Jeder Ort, jeder Boden ist in seiner Ausgestaltung höchst individuell. Ein verabsolutierter Ansatz kann dem nicht gerecht werden. Wenn mehrere Gärtner in einem Garten stehen, werden sie ihn unterschiedlich beschreiben. Der eine schaut sich den Kohl an und diagnostiziert einen Nährstoffmangel, die andere riecht am Boden und beschreibt den erdigen Geruch. Wieder ein anderer lobt die starke Krümmung der Beete. All dies sind richtige Beobachtungen, und sie alle zusammen beschreiben die Gesamtheit des lebendigen Organismus Garten. Das Gleichnis von den Blinden und dem Elefanten spiegelt dies gut wider und beweist, dass die Menschen sich schon seit Jahrhunderten mit diesem Problem befassen.


"Es waren einmal fünf weise Gelehrte. Sie alle waren blind. Diese Gelehrten wurden von ihrem König auf eine Reise geschickt und sollten herausfinden, was ein Elefant ist. Und so machten sich die Blinden auf die Reise nach Indien. Dort wurden sie von Helfern zu einem Elefanten geführt. Die fünf Gelehrten standen nun um das Tier herum und versuchten, sich durch Ertasten ein Bild von dem Elefanten zu machen. Als sie zurück zu ihrem König kamen, sollten sie ihm nun über den Elefanten berichten. Der erste Weise hatte am Kopf des Tieres gestanden und den Rüssel des Elefanten betastet. Er sprach: "Ein Elefant ist wie ein langer Arm." Der zweite Gelehrte hatte das Ohr des Elefanten ertastet und sprach: "Nein, ein Elefant ist vielmehr wie ein großer Fächer." Der dritte Gelehrte sprach: "Aber nein, ein Elefant ist wie eine dicke Säule." Er hatte ein Bein des Elefanten berührt. Der vierte Weise sagte: "Also ich finde, ein Elefant ist wie eine kleine Strippe mit ein paar Haaren am Ende", denn er hatte nur den Schwanz des Elefanten ertastet. Und der fünfte Weise berichtete seinem König: " Also ich sage, ein Elefant ist wie ein riesige Masse, mit Rundungen und ein paar Borsten darauf." Dieser Gelehrte hatte den Rumpf des Tieres berührt. Nach diesen widersprüchlichen Äußerungen fürchteten die Gelehrten den Zorn des Königs, konnten sie sich doch nicht darauf einigen, was ein Elefant wirklich ist.Doch der König lächelte weise: "Ich danke Euch, denn ich weiß nun, was ein Elefant ist: Ein Elefant ist ein Tier mit einem Rüssel, der wie ein langer Arm ist, mit Ohren, die wie Fächer sind, mit Beinen, die wie starke Säulen sind, mit einem Schwanz, der einer kleinen Strippe mit ein paar Haaren daran gleicht und mit einem Rumpf, der wie eine große Masse mit Rundungen und ein paar Borsten ist." Die Gelehrten senkten beschämt ihren Kopf, nachdem sie erkannten, daß jeder von ihnen nur einen Teil des Elefanten ertastet hatte und sie sich zu schnell damit zufriedengegeben hatten. "


unbekannt

In der Ringparabel die Lessing im Buch Nathan der Weise seinen Protagonisten erzählen lässt, kommt zusätzlich noch die Gleichwertigkeit der verschiedenen Ansätze zum Ausdruck und damit ihre Würdigung. Wenn in uns diese Erkentnis vom Pluralismus der Wahrheit reift, wie können wir sie praktisch für unseren Garten nutzen? Alle Schulen und Lehrmeinungen enthalten nützliche Informationen, die uns helfen können. Dies kann gerade am Anfang mit wenig Erfahrung zu Unsicherheit und Überlastung führen. Trotzdem möchte ich davon abraten, in solchen Situationen die Meinungen von (selbsternannten) Experten unreflektiert zu übernehmen und zu denken, man müsste nur genügend Geld in Wochenendkurse investieren, um anschließend erfolgreich zu gärtnern. Damit geben wir Verantwortung ab und ziehen uns in Scheinsicherheiten fremder Entscheidungsträger zurück. Gärtnern ist ein Handwerk und eine Kunst. Sie wird durchs Tun in einem stetigen Prozess gelernt. Prozesse sind fließend und kennzeichnen sich durch Versuch, Beobachtung, Reflexion und Anpassung. Die Grundfähigkeit zum Gärtnern steckt in jedem von uns, wir müssen nur lernen, auf unsere eigenen Fähigkeiten zu vertrauen. Also Spaten schnappen und einfach drauf los? Für einige mag dies der richtige Ansatz sein und diese sollten das auch genauso halten. Andere brauchen vielleicht ein wenig Inspiration, und für diese sind die weiteren Abschnitte gedacht. Denn wie oben bereits erwähnt handelt es sich beim Gärtnern um ein Handwerk. Zu einem Handwerk gehören Arbeitsschritte, Fähigkeiten und Fertigkeiten, die unzählige Generationen vor uns entwickelt haben und die uns das Tun erheblich erleichtern können. In den folgenden Abschnitten möchte ich euch einige dieser Kniffe beschreiben und nahelegen. Keiner davon erhebt den Anspruch, die beste Lösung zu sein. Aber sie können als Anreize und als erste Impulse auf einem Weg der Selbstständigkeit und der Gestaltung begriffen werden und haben so das Potential, ein wenig Hilfestellung und Orientierung zu geben. So zumindest die Intention.

Viel Spaß beim Lesen

Robert Franz 27.03.2025