Der Weg zum eigenen Betrieb

Der Weg zum eigenen Betrieb

Fragen an uns selbst

Es spielt eigentlich keine Rolle, ob es uns darum geht, Gemüse für unsere Familie in unserem Hausgarten anzubauen, oder ob wir einen Betrieb aufbauen wollen, der 20, 30 oder sogar über 100 Menschen ernähren soll. Am Anfang sollten immer Klarheit und Transparenz stehen. Beide helfen uns, unser Handeln sinnvoll zu planen. Folgende Fragen können hierbei helfen. Sie heben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Bei einer Betriebsgründung würde ich empfehlen, sich ausreichend Zeit für Ihre Beantwortung zu nehmen. Eine ehrliche Reflexion am Anfang kann helfen, viele Unannehmlichkeiten in der Zukunft zu vermeiden. An erster Stelle sollte die Frage nach unserer eigenen Motivation stehen. Warum wollen wir Gemüse anbauen? Dies ist eine der wichtigsten Fragen überhaupt. Eine starke und klare Motivation kann helfen, Rückschläge zu verkraften und schwierige Zeiten zu überstehen. Mit der Arbeit kann es nämlich ein wenig wie mit der Liebe sein. Blindheit, geboren aus anfänglicher Begeisterung, kann dazu führen, etwas zu idealisieren und die Dinge zu verklären. Erwerbsgemüsebau ist keine Dorfromantik. Er ist harte, wiederkehrende Arbeit. Wir können alles richtig machen und ein Naturereignis vernichtet unsere Ernte. Gemüsebau ist auch kein in den Tag hineinleben. Gärtnern erfordert exakte Planung und Selbstdisziplin. Ein erfolgreicher Gärtner tut genau das Richtige zur richtigen Zeit. Wir sind verantwortlich für das Leben der Pflanzen und Tiere in unserem Garten, aber auch für die Ernährung unserer Mitmenschen. Auf der anderen Seite ist Gemüsebau aber auch Freiheit. Morgens den Sonnenaufgang auf dem Feld zu erleben: der Geruch des feuchten Bodens, ein leichter Wind im Gesicht, während die ersten Strahlen der Sonne einen in der Nase kitzeln. Mittags dann ein Essen mit Freunden Gemüse aus dem eigenen Garten, schmackhaft und kraftvoll. Am Abend ein Spaziergang durch den Garten, um die Pflanzen zu beobachten und den Tieren zu lauschen. All das und noch vielmehr kann Gärtnern sein.

Wie soll unser Garten aussehen?

Um die zweite Frage zu beantworten, kann es hilfreich sein, sich einen ruhigen Moment zu nehmen. Mit Zettel und Stift an unserer Seite schließen wir die Augen und stellen uns unseren Garten vor. Wie soll er aussehen? Was wollen wir anbauen? Wie groß soll er sein? Dies und viele weitere Fragen können wir uns stellen, bis der Garten eine ganz konkrete Gestalt hat. Diese malen auf und beschreiben sie möglichst detailliert. Dies hilft uns, einen ersten Überblick zu bekommen, und bildet die Grundlagen für die Beantwortung der nächsten Fragen In diesem ersten Schritt ist alles erlaubt, wir können frei assoziieren.

Welche Herausforderungen und Hindernisse stehen der Verwirklichung unseres Gartens im Wege?

Wir haben nun Klarheit, wie unser Garten aussehen soll. Darauf aufbauend schauen wir nun, was der Verwirklichung unserer Idee entgegensteht. Zweifel und Ängste sollten mit erfasst werden. Sie zu thematisieren kann helfen ihnen, einen Teil ihrer Kraft zu nehmen. In dem Buch „Handbuch des Kriegers des Lichts“ beschreibt Paulo Coelho diesen Vorgang wie folgt:


„Manchmal wird ein Krieger des Lichts vom Bösen verfolgt. Dann läd er es einfach in sein Zelt ein. Er fragt das Böse: „Willst du mich verletzen oder mich benutzen, damit ich andere verletze?“ (…) Der Krieger des Lichts hört zu. Wenn das Böse zerstreut ist, legt er es darauf an, dass es seine Rede wiederaufnimmt, und bittet um Einzelheiten. Wenn er alles gehört hat, erhebt er sich und geht. Das Böse hat so viel gerdet, ist so erschöpft und leer, dass es ihm nicht mehr folgen kann.“


Paulo Coelho

Was sind unsere Stärken, über welche Ressourcen verfügen wir?

Hier können wir alles aufschreiben, was uns dabei helfen kann, unseren Garten Wirklichkeit werden zu lassen. An dieser Stelle sind nicht nur materielle Ressourcen gemeint, sondern auch immaterielle wie Wissen, Erfahrung, aber auch Freundschaft.

Die Fragen zu beantworten kann mühsam sein, vielleicht auch ein wenig schmerzhaft, vor allem wenn man erkennt, wie viele Dinge zu berücksichtigen sind. Ich möchte dennoch dazu ermutigen, diese Schritte zu gehen, denn sie helfen, Klarheit zu gewinnen. Dabei sollten die Antworten auf die Fragen als Prozess verstanden werden. Sie sind veränderlich und es kann helfen, sie sich regelmäßig wiederzustellen, um die eigene Entwicklung für sich selbst transparent abzubilden. Bei allen sollte niemals vergessen werden, dass bei unserem Tun und Wirtschaften immer das Leben im Mittelpunkt stehen muss. Keine Idee, kein Ideal darf über dem Wohle des Lebens stehen.

Die drei Dimensionen der Klarheit

Aufbauend auf das Vorherige werden wir uns nun der Klarheit widmen.

Persönliche Klarheit

Persönliche Klarheit: Die eigenen Stärken und Schwächen erkennen und individuell passende Strategien wählen. Die eigene Motivation kennen. Mit der Beantwortung der vorangegangenen Fragen haben wir uns schon mit diesem Thema befasst. Mit Hilfe der unten aufgeführten SWOT-Analyse kann dies bei Bedarf noch vertieft werden. Anschließend können wir dann passende Strukturen wählen, um individuelle Schwächen und Nachteile in Stärken umzuwandeln. Transparenz und Kommunikationsbereitschaft erleichtern diesen Prozess.

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Als Methodik kann die sogenannte SWOT-Analyse helfen, sich Klarheit zu erarbeiten. SWAT steht für Strengths (Stärken), Weaknesses (Schwächen), Opportunities (Chancen) und Threats (Risiken). Unter folgendem Link wird sie eingehender beschrieben.

https://de.wikipedia.org/wiki/SWOT-Analyse

Objektgebundene Klarheit

Objektgebundene Klarheit: Die Stärken und Schwächen des Ortes kennenlernen, an dem unsere Gärtnerei entstehen soll. Jeder Garten entsteht an einem physischen Ort. Es gibt Umgebungsbedingungen, die unsere Arbeit erleichtern oder erschweren können. Im Idealfall können wir uns den Ort unseres Wirkens frei bestimmen, so dass er die Voraussetzungen erfüllt, die wir zur Erreichung unserer Ziele benötigen. Wenn dies nicht der Fall ist, sollte zumindest sichergestellt sein, dass wir über die Befugnisse verfügen, den Ort entsprechend anzupassen oder zu verändern. Wenn wir keinen Wasseranschluss legen dürfen oder es keine Baugenehmigung für einen Folientunnel gibt, sollten wir uns gut überlegen, ob die Fläche für eine Betriebsgründung geeignet ist. In der Regel benötigen wir auch Elektrizität und Lagerkapazitäten sowie Aufenthaltsräume. Es ist sinnvoll, sich vor der Betriebsgründung mit den zuständigen Behörden vor Ort in Verbindung zu setzen und diese von Anfang an zu involvieren. Ein respektvoller Umgang schafft Vertrauen. Wenn wir die vorangegangenen Fragen beantwortet haben, sollten wir eine grobe Vorstellung davon haben, was wir benötigen. Dies wirkt professionell, und wenn wir unsere Ideen dann mit Enthusiasmus vortragen, gewinnen wir unter Umständen wertvolle Verbündete. An einem Ort einen Betrieb zu gründen, an dem Nachbarn oder Behörden gegen einen arbeiten, erzeugt eine Menge unnötigen Stress und Arbeit.

Folgende Fragen können uns hierbei leiten:

Was sollte der Ort mitbringen (Lage/ Erreichbarkeit/ Klima/ Böden/…)?

Welche Infrastruktur brauchen wir für den Start (behördliche Genehmigungen/ Baumaßnahmen/…) ?


Welches Wissen, welche Erfahrung werden benötigt (Fachkräfte)?

Es ist oftmals schwierig festzustellen, ob und wie gut ein Standort für die Gärtnerei geeignet ist. Im Idealfall fragt man einen erfahrenen Gärtner nach seiner Einschätzung. Dabei ist zu beachten, dass Landwirte keine Gärtner sind. Landwirtschaft hat zum Teil deutlich andere Anforderungen an Boden und Infrastruktur, als wir sie fürs Gärtnern brauchen. Unsere Pflanzensteckbriefe können ebenfalls weiterhelfen, da in ihnen Standort- und Bodenanforderungen für die einzelnen Gemüse beschrieben werden. Auch wenn der Wunsch verständlich ist, alles selber anbauen zu wollen, macht es aus wirtschaftlicher, aber auch aus ökologischer Sicht wenig Sinn, Pflanzen auf für sie ungeeigneten Standorten anzubauen. Für den Anbau, welcher Pflanzen sich ein Standort besonders eignet, können wir anhand von Zeigerpflanzen ablesen. Hierzu schauen wir uns an, welche Pflanzen vor Ort in größeren Mengen wachsen.

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Auf dieser Internetseite gibt es einen ersten Überblick über Zeigerpflanzen:

https://www.oekolandbau.de/bio-im-alltag/bio-wissen/was-sind-zeigerpflanzen

Im Internet lassen sich auf der Seite Oekolandbau viele nützliche Informationen und Tools zum Thema Pflanzenschutz finden.

https://www.oekolandbau.de/bio-in-der-praxis/oekologische-landwirtschaft/oekologischer-pflanzenbau/oekologischer-pflanzenschutz/

book icon Literatur

Wer sich mit dem Thema intensiver beschäftigen möchte, für den empfehle ich, sich mit Permakultur zu beschäftigen. Wer sich darüber hinaus tiefergehend mit den Gedanken der Permakultur beschäftigen möchte, für den empfehle ich die Bücher:

Bill Mollison: Permakultur konkret. Entwürfe für eine ökologische Zukunft, ISBN 3895661988.

Dieses Buch verschafft einen guten ersten Überblick über Permakultur.

David Holmgren: Permakultur: Gestaltungsprinzipien für eine zukunftsfähige Lebensweisen, ISBN 3927369764.

Ein sehr umfangreiches und detailiertes Buch, das einen stark strukturfokussierten Zugang zur Permakultur eröffnet.

Sepp Holzer: Permakultur: Praktische Anwendung für Garten, Obst- und Landwirtschaft, ISBN 3702010378.

Ein sehr gutes Buch für den deutschsprachigen Raum, auch wenn seine Übertragbarkeit nur bedingt möglich ist, da der Garten von Herrn Holzer sich mehrere hundert Meter über dem Mehresspiegel befindet.

Masanobu Fukuoka: Der Große Weg hat kein Tor. Nahrung, Anbau, Leben, ISBN 3895662062.

Bietet einen philosophisch geprägten Zugang zu dem Thema. Auch wenn die gezeigten Ansätze aus Japan stammen und aus einer Zeit vor dem Klimawandel, als es noch berechenbares Wetter gab, setzt dieses Buch wichtige Impulse. Für mich ganz persönlich eines der prägensten Bücher, die ich in diesem Leben lesen durfte.

Nikolay Kurdyumov: Clever gärtnern leicht gemacht: Selbstversorgung, Permakultur, ISBN 3922201946.

Aufgrund des furchtbaren Layouts und des mich nicht ansprechenden Titels wurde dieses Buch lange von mir ignoriert. Nachdem ich diese Vorurteile abgelegt hatte, stellte ich fest, dass dieses Buch eines der besten Praxisbücher ist, die ich zu diesem Thema kenne. Mit viel Witz und gut verständlich werden die Ideen und Ansätze der Permakultur greifbar in die tägliche gäertnerische Arbeit übertragen.

Wirtschaftliche Klarheit

Wirtschaftliche Klarheit: Über die eigenen finanziellen Möglichkeiten und die seiner Zielgruppen klar sein.Für einen nachhaltigen Betriebsaufbau ist die Klarheit über die eigene finanzielle Situation wichtig. Aus meiner eigenen Erfahrung kann ich sagen, dass für den Aufbau eines kleinen Betriebes, der etwa 30 bis 60 Familien versorgen kann, etwa 10.000 bis 15.000 Euro benötigt werden. Wenn man dieses Geld nicht selber besitzt, muss man es sich leihen. Idealerweise bieten sich Privatdarlehen von Freunden und Familien an. Dies hat den Vorteil, dass die Darlehen oft zu einem niedrigen Zinssatz sind, man keinen aufwendigen Businessplan benötigt und in schwierigen Situationen meist eine breitere Unterstützung hat. Auch wenn kein Businessplan benötigt wird, würde ich dennoch empfehlen, einen zu erstellen. Während des Erstellungsprozesses erhält man viel Klarheit. Dies kann helfen, mögliche zukünftige Probleme frühzeitig zu identifizieren oder aber bisher unentdeckte Ressourcen aufzuzeigen. Auch im Familien- und Freundeskreis sollten alle Geschäftsbeziehungen genau dokumentiert und schriftlich fixiert werden. Es kann bei Geldangelegenheiten schnell zu Missverständnissen kommen. Wenn man sich Geld von einer Bank leihen möchte, macht man in der Regel einen Termin mit einem Ansprechpartner aus und stellt diesem dann sein gärtnerisches Geschäftsmodell vor. Auf diesen Termin sollte man sich durch Erstellen eines Businessplans gut vorbereiten. Auch sollte man nicht vergessen, dass unser Gegenüber in seiner Rolle als Bankangestellter agiert. Dies bedeutet für uns, dass idealistische Argumente nachrangig zu betrachten sind. Was zählt, sind klare Zahlen. Letztlich geht es darum, die Bank davon zu überzeugen, dass ihr eine sichere Geldanlage seid. Versucht die Bank von Anfang an, respektvoll und transparent zu informieren. Macht sie zu eurem Partner und Verbündeten. Ein beiderseitiges Vertrauensverhältnis zwischen euch und eurer Bank kann bei zukünftig anstehenden Investitionen von großem Vorteil sein.

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Die LVG Heidelberg stellt online eine gute Zusammenfassung zur Verfügung, was beim Schreiben eines Businessplans für eine Gärtnerei zu beachten ist.

https://lvg.landwirtschaft-bw.de/site/pbs-bw-mlr-root/get/documents_E-162471313/MLR.LEL/PB5Documents/lvg/pdf/b/Businessplan_fuer_Gaertner.pdf?attachment=true